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Wie pazifistisch ist das Christentum?

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Von Katharina Predota

Friedensbewegungen weltweit rufen zu Friedensgesprächen und Waffenstillstand in der Ukraine auf. Natürlich ist dies längst nicht so einfach.

„Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ (Matthäus 5,9), heißt es in der Bergpredigt. Und Jesus fordert sogar: „Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.“ (Matthäus 5,39)

Aber was bedeuten diese so oft zitierten Verse eigentlich? Müssen Christen und Christinnen immer nachgeben, dürfen sich nicht verteidigen? Ein Blick auf den christlichen Umgang mit Krieg und Frieden in der Vergangenheit und Gegenwart hilft zu verstehen, was Jesu‘ Worte bedeuten könnten.

Der Gerechte Krieg

Bis zum Zweiten Weltkrieg galten die Lehren über den „Gerechten Krieg“, wie beispielsweise von Augustinus, Thomas von Aquin, Francisco Suarez oder Francisco de Vitoria formuliert.

Laut dieser Doktrin ist Krieg nicht zwingend böswillig, sondern gerechtfertigt unter gewissen Voraussetzungen: Unter anderem muss er den Frieden wiederherstellen, darf erst stattfinden, wenn alle anderen Mittel erschöpft sind, die gegnerische Partei darf dabei weder beraubt noch vernichtet werden und das angerichtete Übel darf nicht größer sein als das beseitigte.

„Gerechter Krieg“ sei ein Akt der Liebe, ein Streben nach Tranquillitas ordinis, die „Ruhe der Ordnung“, die für Frieden notwendig ist. Clive Staples Lewis ging sogar so weit zu sagen, wenn Krieg jemals moralisch sei, sei Frieden manchmal sündig.

Im Laufe des 20. Jahrhundert mit seinen Völkermorden, Massenvernichtungswaffen, dem „Kalten Krieg“ und seiner atomaren Abschreckung, die die Lehre vom „Gerechten Krieg“ jedoch überflüssig und haltlos erschienen ließen, wurde immer wieder versucht, eine neue Positionierung der Kirche zum Krieg zu finden.

Franziskus Maria Stratmann, Dominikaner, versuchte mit seinem Werk ‚Weltkirche und Weltfrieden‘ von 1924 theoretische Grundlagen für Pazifismus zu finden. Nach Auflistung der tradierten Kriterien des „Gerechten Krieges“, gelangte er zu dem Schluss, dass kein Krieg alle Bedingungen je erfülle und gläubigen Christen daher nur übrig bleibe, den Kriegsdienst zu verweigern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hoffte der Ökumenische Rat der Kirchen auf eine Weltfriedensordnung, in der Krieg nach Gottes Willen „nicht sein solle“. Angesichts des „Kalten Krieges“ wurde diese Hoffnung jedoch zerstört.

Papst Johannes Paul II. schrieb im Jahr 2000, wir können die Welt nur dorthin bringen, wo sie sein sollte, indem wir sie nehmen, wie sie ist; indem wir Sünde und Gewalttaten ernst nehmen und willig sind, diesen – wenn nötig auch mittels Krieg – entgegenzusetzen. Menschenrechte kennen keine nationalen Grenzen, daher ist es manchmal notwendig, nationale Souveränität zu verletzen, um beispielsweise versklavte Menschen zu retten, sofern alle anderen Lösungsversuche gescheitert sind. Aber geht es auch anders?

Was kann Pazifismus schaffen?

Ein Jahr nach der Friedensproklamation 1962 von Papst Johannes XXIII. erschien seine Enzyklika ‚Pacem in Terris‘, die den Grundstein zum Aufruf der nuklearen Abrüstung legte. Der persönliche Einsatz Papst Johannes XXIII. als Vermittler zwi-schen John F. Kennedy und Nikita Chru-schtschow trug außerdem zur Lösung der Kubakrise 1962 bei.

Im Jahr 2000 ließ die katholische Deutsche Bischofskonferenz mit ihrem Hirtenwort „Gerechter Friede“ die Lehren vom „Gerechten Krieg“ endgültig hinter sich. Krieg sei demnach – bis auf wenige Ausnahmen um weiteres Übel zu vermeiden – immer abzulehnen.

Auch in der von Papst Franziskus gemeinsam mit dem muslimischen Großimam Ahmad Al-Tayyeb 2020 herausgegebenen Enzyklika ‚Fratelli Tutti‘ werden die Lehren des „Gerechten Krieges“ abgelehnt, denn jeder Krieg hinterlasse die Welt schlechter, als er sie vorgefunden habe. Stattdessen wird friedliches Zusammenleben und Geschwisterlichkeit in der Welt gefordert. Franziskus selbst, der 2016 als erster Papst in der Geschichte den Russisch-Orthodoxen Patriarch Kyrill I. auf Kuba traf, nannte diesen seinen „Bruder“. Könnten Kyrill und Franziskus auch im Ukraine-Krieg Friedensgespräche initiieren?

Abgesehen von religiösen Oberhäuptern könnten aber auch Friedensbewegungen eine wichtige Rolle spielen. Die internationale katholische Friedensbewegung Pax Christi wurde 1945 in Frankreich gegründet mit dem Ziel, sich für soziale Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. Heute hat sie nationale Sektionen in über 20 Staaten und etwa 6000 Mitglieder in Deutschland. Dort führt die NGO aktuell Kampagnen gegen Atomwaffen und den deutschen Waffenhandel. Ihre Ziele sind beispielsweise aus der Zivilbevölkerung heraus Druck auf die Regierung aufzubauen, eine Veröffentlichungspflicht der Rüstungsexporte durchzubringen, bzw. mithilfe einer Klarstellung des Grundgesetzes Waffenexporte zu verbieten.

Noch vor Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine begannen Friedensforscher gemeinsam mit dem Pax Christi International Projekt ‚Catholic Nonviolence Initiative‘ im Februar 2022 eine gewaltfreie Lösung eines damals womöglich bevorstehenden bewaffneten Konflikts oder gar Krieges in der Ukraine auszuarbeiten, der auf einem „Just Peace“-Modell beruht.

Just Peace – oder der „Gerechte Frieden“ – fordert unter anderen Punkten die vollständige Entwaffnung, ein öffentliches Eingestehen der Verantwortung seitens der beteiligten Parteien und gewaltfreien Widerstand.

Die gesamte Liste ist hier nachzulesen:
Ukraine: An opportunity for a Just Peace  – Catholic Nonviolence Initiative (nonviolencejustpeace.net)

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