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Moses Scherbenhaufen ist nicht das Ende

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Verwendete Bibelstellen

Lesung: Ex 32,7-11.14-20
Evangelium: Mt 5,1-12

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist das einzige Bild aus Feibuschs Serie alttestamentlicher Geschichten in unserer Kirche, das nur eine Figur zeigt. Ganz so, als ob schon dadurch eine Sonderstellung hervorgehoben werden soll, sowohl was den Mann, als auch die Szene betrifft.

Mit den steinernen Tafeln in der Hand ist Mose meist schnell erkannt, und damit tatsächlich der Größte unter den jüdischen Propheten im Alten Testament. Ihm offenbart Gott im brennenden Dornbusch seinen Namen, ihn beauftragt er mit der Befreiung seines Volkes aus dem Sklavenhaus Ägyptens, ihm vertraut er am Sinai das Gesetz an,  das weit über das Judentum hinaus zivilisatorische Wirkung entfaltet hat und das als die sogenannten „Zehn Gebote“ nun schon über Jahrtausende Menschen aus aller Welt zu einem gelingenden Leben anleiten will – bis heute.

Feibusch feiert Mose und den Moment in seinen typisch leuchtenden Farben, dominierend jedoch in Blau, der Farbe des Himmels, der göttlichen Sphäre.

Wobei der eigentliche Moment des Zusammentreffens von Gott und Mensch für ihn genauso Tabu bleibt, wie für die alttestamentliche Vorlage. Hier wie an vielen anderen Stellen der Bibel gilt, das eine wirkliche Gottesbegegnung ein derart intimer Moment ist, das er von außen betrachtet nicht angemessen dargestellt werden kann, weder im Wort, noch im Bild.

Stattdessen zeigt uns Feibusch das der Begegnung Nachfolgende: also den vom Berg herabsteigenden Mose, die Steintafeln in den erhobenen Händen, beschrieben mit den jeweils ersten beiden hebräischen Worten der Zehn Gebote.

Wobei: genaugenommen kommt Mose ja zweimal vom Berg herunter. Beim ersten Mal hört er das Lärmen des Volkes, sieht den Tanz ums „Goldene Kalb“, und im Zorn zerschmettert er die Tafeln am Fuße des Berges.

Ein heikler Moment, denn so gut man sich den Unmut des Mose vorstellen kann, dass seine Leute keine Geduld üben, noch immer kein Vertrauen aufbringen und einem selbstgemachten Götzenbild nicht widerstehen konnten, so deutlich muss man sich auch vor Augen führen, dass Mose hier nichts weniger als Gottes Wort zertrümmert: Tafeln „beschrieben vom Finger Gottes“ wie es ausdrücklich heißt (Ex 31,18).

Zeigt sich an dieser Stelle nun ein Prophet und sein berechtigter Heiliger Zorn, oder ein Mann der vor lauter Wut selbst in den Widerspruch zu Gott gerät und so seine und auch die Zukunft seines ganzen Volkes zu zerstören droht?

Rembrandt, Moses zerschmettert die Gesetzestafeln

Von Rembrandt gibt es ein berühmtes Ölgemälde aus dem Jahre 1659 mit dem Titel: „Moses zerschmettert die Gesetzestafeln“. Die Parallelen zu unserem Bild sind frappierend. Die ähnliche Komposition und Figurenzeichnung werfen so die Frage auf, ob Feibusch sich das Bild vielleicht zum Vorbild genommen haben könnte, um ebenfalls diesen dramatischen Moment festzuhalten.

Dann stünden wir einem Mose gegenüber, der uns gleich die Tafeln vor die Füße wirft [wie „Perlen vor die Säue“ um es in den Worten der Bibel zu sagen (Mt 7,6)], verbunden mit dem unausgesprochenen aber mitschwingenden Vorwurf,  dass wir auch nicht besser seien als die alten Israeliten mit unseren Tänzen um die goldenen Kälber heutiger Zeit.

Unser Bild müsste dann in erster Linie als Mahnung verstanden werden, stets zu prüfen, worum unser Denken, Reden und Tun tatsächlich kreist: um den unverfügbaren einen Gott – oder um viele selbstgemachte Götzen?!

Eine wichtige Frage, nicht nur legitim sondern sogar notwendig, wenn eine Religion nicht vom „Weg abkommen“ will.

Und doch glaube ich, dass wir in Feibuschs Darstellung Mose nicht bei seinem ersten Abstieg vom Berg gegenüberstehen, sondern erst nachdem er voll Reue zu Gott zurückgekehrt war, und für sich und sein Volk um Vergebung gebeten hatte.

Diesmal musste Mose selbst die Worte auf die Tafeln schreiben (Ex 34,28). Eine kleine aber religionsgeschichtlich nicht unbedeutende Verschiebung, die uns jetzt „Gotteswort im Menschenwort“ nahebringt (wie auch die Evangelien). Das heißt: Statt zur starren Unantastbarkeit und sklavischen Buchstabentreue werden wir immer wieder zur Freilegung des göttlichen Kerns der Worte verpflichtet. Denn selbst Mose – wir haben es eben gesehen – ist nicht unfehlbar.

Für das, was hier in der (hermeneutischen) Theorie noch kompliziert klingt, findet Feibusch ein einfaches und einleuchtendes Bild: die Wolkenschleier, die vor allem die neuen Tafeln, aber ein wenig auch Mose selbst umwehen.

Die ebenso unfassbare wie undurchschaubare Wolke ist der Bibel immer schon ein Bild für Gott gewesen. Bei Feibusch künden die verbliebenen Schleier nun vom Ursprung der Tafeln. Mose scheint sie aus der Wolke geradezu in Empfang zu nehmen. Mögen sie auch von ihm beschrieben sein, atmen sie doch den Geist Gottes. Und selbst er, mit dem Gott „wie mit einem Freund“ (Ex 33,11) redete, selbst der Größte der Propheten bleibt ihm buchstäblich unterstellt.

Ursprünglich hatte Feibusch wohl eine andere Körperhaltung für Mose im Sinn, wie ein Vergleich mit seiner vorausgehenden und noch erhaltenen Skizze verrät. Hier hält er mit beiden Händen die Tafeln noch vor seiner linken Brust.

Dazu muss man wissen, dass fromme Juden zum Gebet die „Tefillin“ anlegen, d.h. sie binden sich vor die Stirn und um den linken Arm ein kleines Kästchen, in dem sich auf einer Schriftrolle das Schma Israel niedergeschrieben ist,  das zentrale Glaubensbekenntnis der Juden, das mit den Worten beginnt:  „Höre Israel, der Ewige, unser Gott, der Ewige ist eins.“ (Dtn 6,4-9). Kopf und Herz des Beters soll es prägen und stets nahe sein.

Es erinnert nicht zufällig an das 1. Gebot des Dekalogs. Und so lag es für Feibusch wohl auf der Hand, die Tafeln Tefillin-gleich Mose ans Herz zu legen.

Auch wenn er sich letztlich dann für eine andere Darstellung entschieden hat, gibt die Skizze doch Aufschluss über das Denken und die Stoßrichtung Feibuschs, die uns nicht einen erzürnten, das Wort Gottes zertrümmernden Mose zeigen will, sondern einen vermittelnden, der es uns nahe bringt und als Schatz anvertraut.

Damit dürfte Feibusch, der Grenzgänger zwischen Judentum und Christentum, auch ganz auf der Linie des neutestamentlichen Evangeliums liegen, die Jesu Bergpredigt analog zur Mose-Szene auf dem Sinai beschreiben.

Beide haben eine Weisung Gottes im Sinn, die nicht unterdrücken oder befehlen will,
sondern die einen geschützten Lebensraum für alle schafft, nicht zuletzt für jene, denen der Mensch viel zu oft Würde und Recht verweigert.

Sie müssten in unserer Mitte stehen. Um sie sollte es sich drehen. In den Augen Gottes wäre das dann wohl wirklich ein Grund zum Tanzen!

1 Kommentar

  1. Danke dem Grenzengaenger Feibusch fuer die Darstellung Mose.
    Danke Andreas fuer die Erklaerung und Aussage des Gemaeldes.
    Eine umfassende Wegweisung fuer uns aus dem Alten und Neuen
    Testament.
    Freue mich auf die anderen Folgen.


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