In der Apostelgeschichte, also dem Buch, das in der Bibel auf die Evangelien folgt, wird das Leben und Ringen der ersten Christen in der Nachfolge Jesu beschrieben. Schnell wird deutlich, dass die rasant wachsende Anhängerschaft zu größeren Gemeinschaften führt, die eine Ordnung brauchen. Um viele Fragen wird kontrovers und hart gerungen, und die Apostelgeschichte verschweigt uns den Streit unter den Jüngern nicht. Ausgerechnet in Bezug auf den materiellen Besitz heißt es allerdings ebenso schlicht wie radikal: „Und alle, die glaubten, … hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte.“ (Apg 2,44f)
Selbst wenn in dieser Beschreibung eine gehörige Portion Idealismus mitschwingen dürfte, so ist doch mehrfach belegt, dass die frühen Christen beispielsweise Landschenkungen sofort verkauften, um das Geld den Armen zu geben. Erst als Betreuungseinrichtungen samt Dienstpersonal oder auch Kultstätten samt Klerikern unterhalten werden mussten, begannen die jungen Gemeinden selbst zu wirtschaften, um mit den Erträgen die laufenden Kosten zu decken. Was ursprünglich eine reine Liebesgabe für den Nächsten war, wurde mehr und mehr als eigenes Kapital genutzt.
Aber es gab im Laufe der Kirchengeschichte auch Widerstand gegen diese Entwicklung. Die mittelalterlichen Armutsbewegungen verabscheuten Landbesitz in der Hand von Kirchen und Klöstern. Ihre Anhänger wollten nur von freiwilligen Spenden leben, wobei auch diese zunehmend aus Geld bestanden. Für Franziskus waren Geldmünzen noch wortwörtlich „Scheißdreck“, aber schon die Dominikaner nahmen trotz Armutsgelübde wieder Geld für von ihnen erbrachte geistliche Leistungen. Auch wenn sich diese Entwicklung nicht aufhalten ließ, so fehlte es nie an kritischen Stimmen, die der Zahlbarkeit religiöser Akte entgegentrat und stattdessen die innere Hingabe der Gläubigen zum entscheidenden Maßstab erklärte.

Drei Formen von Kirchenabgaben ragen in ihrer historischen Entwicklung bis in unsere Zeit:
1. Die Kollekte. Ein „materielles Opfer“ als Sozialabgabe im Gottesdienst zu tätigen, ist eine Besonderheit der christlichen Religion, die von Anfang an die Untrennbarkeit von Gottes- und Nächstenliebe ausdrücken sollte. Zuerst brachte sich die Gemeinde „selbst als lebendiges und heiliges Opfer dar“ (Röm 12,1), d.h. sie wollte sich Gott anvertrauen, seinem Wort folgen und in der Welt Zeugnis von ihm geben. Dieses Zeugnis verlangte dann auch eine Zuwendung zu den Armen, die als besondere Freunde Gottes galten. Zu dem „geistigen Opfer“ in der Liturgie kam so das „materielle Opfer“ für die Notleidenden. Anfangs waren es nicht selten Naturalien, die nach der Messe in einem gemeinsamen Mahl (Agape) miteinander geteilt wurden; aber auch schon Paulus ruft seine Gemeinden zu Geldspenden auf. Als solche sind sie bis heute fester Bestandteil unserer Gottesdienste. Auch wenn andere Spendenaufrufe inzwischen ertragreicher sein mögen, bleibt die Kollekte als Zeichen der Verbundenheit von Gottes- und Nächstenliebe doch unverzichtbar.
2. Die Messstipendien. Im Mittelalter wandelte sich das soziale und religiöse Bewusstsein, und die Messe wurde jetzt vor allem als Bitte für alle Lebensnot und als Sühnopfer für begangene Sünden verstanden. Die Logik des Gebens und Erhaltens, obwohl bereits im Alten Testament in Frage gestellt und im Neuen Testament deutlich kritisiert, erweckte dabei den Eindruck, dass mit der Größe eines materiellen Opfers auch der Segen bzw. die Vergebung Gottes zunehme. Das lateinische Wort „do ut des“ (Ich gebe, damit du [Gott] gibst) spiegelte diesen Zeitgeist wider. Immer größer und zahlreicher wurden die materiellen Opfer, dass im Anschluss an die Gottesdienste regelrecht Markt gehalten wurde, um die Gaben zu verkaufen. Von daher stammt auch unsere Bezeichnung „Messe“ für große Handelsmärkte. Der Erlös kam den Kirchen zugute. Und da man Messen nicht nur für persönliche Anliegen beim Priester „bestellen“ konnte, sondern auch für Verstorbene um deren Heil man bangte, stieg die Anzahl der Messtiftungen und folglich der Einnahmen mächtig an. Auch heute noch halten wir in unseren Gottesdiensten Fürbitte und beten für Verstorbene; aber der mehr als problematischen Verknüpfung von Opfer und Gnade folgen wir in unserer Gemeinde nicht mehr. Alle Gebetsanliegen werden gerne und unentgeltlich aufgenommen.
3. Die Kirchensteuer. Diese relativ junge Form der Abgabe ist interessanterweise keine kirchliche Erfindung. Vielmehr wurde sie der Kirche auf deutschem Gebiet als Entschädigung aufgezwungen, nachdem Napoleon sie im Rahmen der Säkularisierung enteignet hatte. Zunächst waren die einzelnen Länder verpflichtet, die Arbeit der Kirchen durch entsprechende Staatsleistungen sicherzustellen. Aber schon bald entschlossen sich die meisten deutschen Länder, diese Pflicht auf die Kirchenmitglieder zu übertragen und eine Umlage für kirchliche Zwecke zu erheben. So entstand die Kirchensteuer nicht als Privileg der Kirchen, sondern zur Entlastung der Länder. Auch heute noch ist die Kirchensteuer innerkirchlich umstritten. Einerseits ermöglicht sie gerade auch im europäischen Vergleich eine gute Finanzierung kirchlichen Lebens; andererseits verknüpft sie die Kirchenmitgliedschaft an eine Geldabgabe, der man sich nur in begründeten Fällen entziehen kann. Erst im Jahr 2012 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass es einen Austritt aus der Kirchensteuer bei bestehenbleibender Kirchenzugehörigkeit in Deutschland nicht geben kann. Theologisch kann aber niemals eine Steuer, sondern allein die Taufe maßgeblich für eine Kirchenmitgliedschaft sein. Von den Gehältern der Hauptamtlichen Seelsorger abgesehen erhält unsere Gemeinde keine Kirchensteuermittel aus Deutschland, sondern finanziert sich – wie andere Kirchengemeinden im Vereinigten Königreich auch – allein durch Spenden.
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