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Karfreitagsmeditation: Zwischen den Mächten

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„Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen.“

Mk 10,42

Gefangen, gebunden, eingekeilt
zwischen geistlicher und weltlicher Macht:
Ecce homo – Seht, der Mensch.

Seht diesen Menschen.
Für die einen ein Gotteslästerer,
für die anderen ein politischer Aufrührer,
Jesus, der Menschensohn.

Mit machtvollem Arm
hatte er am Sabbat geheilt,
Sündern die Schuld vergeben
und mit Unreinen Mahl gehalten.
Die religiöse Ordnung droht zu wanken.

Kajaphas, der Hohepriester, greift ein.
Er greift nach dem mosaischen Gesetz,
klammert sich an seine Thorarollen
und hält krampfhaft fest,
was ihm heilig ist.

Er trägt nicht nur den Kopfbund des jüdischen Hohepriesters,
sondern auch das Rochett eines christlichen Würdenträgers;
denn das Missverständnis, die Ordnung über den Menschen zu stellen,
bleibt die große Versuchung aller Religionen und kostet bis heute Leben.

Sehenden Auges tut es das, denn Kajaphas weiß um das Unrecht:
„Es ist besser, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt,
als wenn das ganze Volk zugrunde geht.“ (Joh 11,50)
So reden sie alle, denen ein einzelnes Leben nichts gilt,
und das sie nur zu bereitwillig ihrer „großen Sache“ opfern,
die am Ende meist nur dürftig den persönlichen Vorteil kaschiert.

So sorgt sich Pilatus auf der anderen Seite um seine Stellung
und die Gunst des Kaisers, die er bei Unruhen zu verlieren droht.
Bis zum Hochverrat könnte die Anklage gegen ihn reichen,
wenn er den einfach gehen lässt,
an dem er selbst zwar keine Schuld findet,
den die anderen aber als Bedrohung für den Kaiser hinstellen.

Ist dieser Mensch das Risiko wert?
Ist die Gerechtigkeit das Risiko wert?
Was geht es mich an: „Das ist eure Sache.“ (Mt 27,24)
So spricht Pilatus und wäscht seine Hände in Unschuld,
obwohl sie schon vor lauter Mittäterschaft Blut triefen.

Und so werden die vermeintlich Großen dieser Welt,
vor lauter Angst, Egoismus und Gleichgültigkeit,
ganz klein.
Der Ausgelieferte und scheinbar Ohnmächtige aber
wächst über sich hinaus und findet zur wahren Größe,
überragt sie alle.

Er hatte es kommen sehen und angekündigt.
Er ist nicht zurückgewichen vor den Konsequenzen
seiner Menschlichkeit und Zugewandtheit.
Sie gelten selbst jetzt, in der Stunde seiner Vernichtung,
wo er zwischen die Mahlsteine von Thron und Altar gerät.

Sie gelten gerade jetzt,
denn so werden sie zum belastbaren Zeugnis,
an dem sich jeder Zerriebene wieder aufrichten kann,
bei dem sich jeder Umstehende infrage stellen muss.

„Was ist Wahrheit?“, so fragt Pilatus
und bleibt die Antwort trotzdem schuldig.
Er erkennt nicht, dass sie längst vor ihm steht.

Die Wahrheit stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Wahrheit lädt Arme, Krüppel, Blinde und Lahme zum Hochzeitsmahl.
Die Wahrheit verheißt nach Gerechtigkeit Hungernden und Frieden Schaffenden,
sanftmütig Handelnden und Barmherzigkeit Übenden das Reich Gottes.

Die Wahrheit steht vor uns.
Die Bullies dieser Welt legen sie aufs Kreuz.
Wir aber können ihr neues Leben einhauchen.

 

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