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Karfreitagsmeditation: Ein Fremder wird zum Freund

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Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Zyrene,
den Vater des Alexander und Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen.

(Markus 15,21)

Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal
machen sich die Besatzer das Gesetz zu eigen.
Ausbeutung und Erniedrigung
werden so auch noch zum Hohn für alle,
die den brutalen Machthabern und ihrer Ordnung
hilflos ausgeliefert sind.

Der Römische Friede („Pax Romana“)
war bestenfalls für die Römer ein Segen.
Anderen wurde er oft zur Last,
die es manchmal buchstäblich zu tragen galt.
So hatte ein römischer Soldat das Recht,
Menschen zu zwingen, alles stehen und liegen zu lassen,
ihm eine Meile zu folgen und seine Lasten zu tragen.

Da es auf dem Kreuzweg Jesu irgendwie nicht weitergeht,
wird so ein Bauer in die blutige Geschichte hineingezogen.
Vom Feld kommend, wahrscheinlich müde und hungrig,
hat er doch keine Wahl als dem Befehl zu folgen,
und zum Kollaborateur einer Hinrichtung zu werden
und den schweren Querbalken des Kreuzes
Richtung Golgotha zu tragen.

Auf einem anderen Berg hatte Jesus einst gepredigt,
den Zwang der Unterdrückung subversiv zu unterlaufen:
„Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen,
dann gehe zwei mit ihm!“ (Mt 5,41)

Vermutlich wird Simon von Zyrene
damals nicht unter den Zuhörern gewesen sein.
Aber hier sieht es nun so aus,
als ob er sich dem verhassten Gesetz nicht nur beugt,
sondern gegen jeden Widerwillen einem Leidenden
zum Nächsten werden kann.
Aus Gewalt wird Beistand, aus Hass wird Liebe.

Simon und Jesus kommen sich so nah,
ihre Hände umgreifen einander so fest,
der Schulterschluss ist so ebenbürtig,
dass beide Männer nahezu eins werden.

Das aschfahle Gesicht gibt die Marter und Erschöpfung Jesu preis,
ansonsten wäre kaum auszumachen, wer hier wem beisteht.

Und so werden wir unweigerlich auf den Kern der Szene gestoßen.
Wir lesen, dass Simon gezwungen wird, das Kreuz für Jesus zu tragen.
Wir glauben jedoch,
dass Jesus das Kreuz für Simon und uns alle getragen hat.
Das Faktum und die Glaubensdeutung fließen ineinander.

Wo der Mensch Simon Jesus in schwerer Stunde beigestanden hat,
hat Jesus dem Menschen eine Last genommen
und einen Weg eröffnet,
nämlich immer da,
wo uns das Leben zum Kreuz wird.

Letztlich bleibt er sich und seiner Rede treu.
Subversiv unterläuft er noch die Unausweichlichkeit des Todes,
in dem er sich ihm unschuldig und freiwillig ausliefert,
nur um auch ihn zu wandeln. Aus Tod wird Leben.

Die Paradoxien unseres Glaubens sind eine große Herausforderung
und selten größer als im Angesicht der eigenen Endlichkeit.
Aber wo unser Verstehen an seine natürlichen Grenzen stößt,
vermag vielleicht das Leben selbst Zuversicht zu stiften.

Einander zum Nächsten werden,
auch in kurzen oder erzwungenen Momenten;
in der Nötigung eine Freiheit entdecken,
auch wenn Stolz und Selbstbild dem zuwiderlaufen;
das Ärgernis zum Segen werden lassen,
auch wenn es Kraft und Überwindung kostet;
all das mag uns beizeiten zeigen und lehren,
was auch Simon von Zyrene einst erfahren hat:

Wer trägt –
wird selbst getragen.

Auch wenn er es noch nicht glauben kann.

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