Und die ganze Kathedrale wurde nur wegen der Heiligen Drei Könige erbaut? So mag sich mancher Besucher staunend fragen, wenn er den Kölner Dom besucht. Und ja, so ist es tatsächlich! Nachdem am 23. Juli 1164 die Gebeine der Heiligen Drei Könige aus Mailand in Köln Einzug hielten, wurde bereits rund 80 Jahre später, am 15. August 1248, der Grundstein für die heutige Hohe Domkirche am Rhein gelegt. Als auf die Verehrung der Heiligen Drei Könige hin konzipierte Pilgerkirche entwickelte sich diese bereits im Mittelalter – und damit weit vor ihrer eigentlichen Fertigstellung im Jahr 1880 – zu einer „der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Christenheit“.
Mit der Weihe des gotischen Chores am 27. September 1322 wurde der für die Aufbewahrung der Reliquien geschaffene Schrein in der Achskapelle hinter den Hochchor gestellt und der Chorumgang mit den zahlreichen Kranzkapellen als beeindruckender Pilgerweg ausgestaltet. Der kreuzförmige Grundriss des Domes erlaubte es, die Pilgerströme durch das Portal im Südquerhaus in den Dom hinein, um den Chor am Schrein her-um und dann durch das Portal im Nordquerhaus wieder aus dem Dom herauszuführen. Der Pilgerweg führt dabei bis heute außer am Schrein auch an der sogenannten Mailänder Madonna (Köln, um 1280/90), die in der südlich gelegenen Marienkapelle einen Platz gefunden hat, vorbei; und auf der Nordseite am Gerokreuz, dem ersten monumentalen Kruzifix mit der Darstellung des toten Christus. Das romanische Kruzifix wurde bereits 976 von dem Kölner Erzbischof Gero für den 873 geweihten, karolingischen Vorgängerbau des Kölner Domes gestiftet.
Die bei Baubeginn des gotischen Domes geplante eigentliche Verortung der Reliquien der Heiligen Drei Könige in der Vierung der Kathedrale wurde aufgrund verschiedener Widrigkeiten nie realisiert. Seit 1948 steht der kostbare goldene Reliquienschrein nun innerhalb des Chores auf dem 1322 geweihten Hochaltar. Von hier, unter dem Lichterkranz der gotischen Chorfenster, strahlt er heute in den Dom hinein, dem in die Kathedrale eintretenden Besucher entgegen.
Doch was hat es mit dem Schrein eigentlich auf sich? „Der Schrein der Heiligen Drei Könige ist das größte, künstlerisch bedeutendste und inhaltlich anspruchsvollste Reliquiar des Mittelalters“. Ein Reliquiar ist ein Gefäß zur Aufbewahrung von Reliquien, also solchen Objekten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Heiligen stehen: zum Beispiel Knochenfragmente, Haut- oder Blutpartikel sowie Kleidungsstücke und andere Objekte, die der Heilige getragen oder genutzt hat.
Begonnen um das Jahr 1190 und um 1225 als Kasten mit zweigeschossigem Aufbau und Satteldach vollendet, birgt der Kölner Reliquienschrein in seinem Inneren Gebeine der Heiligen Drei Könige sowie weiterer Heiligen. Auf der Vorderseite des Schreins ist seit dem 18. Jahrhundert eine Klappe eingearbeitet, die zu Pilgerfahrten geöffnet werden kann. Durch diese sind in geöffnetem Zustand die drei bekrönten Schädelkalotten der Heiligen sichtbar.
Ein inhaltlich umfangreiches und künstlerisch äußerst hochwertig gestaltetes Bildprogramm ziert den mit farbigen Emails und zahlreichen antiken Gemmen und Edelsteinen geschmückten Schrein, dessen Gestaltung vermutlich auf den aus Lothringen stammenden Goldschmied Nikolaus von Verdun (*um 1130–1140, † nach 1205) zurückgeht. Die Vorderseite ist aus reinem Gold gearbeitet und zeigt in plastischer Treibarbeit die Anbetung der Heiligen Drei Könige. Die Könige nähern sich – gefolgt von König Otto IV., der Gold und Edelsteine für die Vorderseite gestiftet hat – von links her der Gottesmutter, die auf ihrem Schoß das Jesuskind hält. Auf der rechten Seite der Dreikönigs-Darstellung ergänzt die Taufe Jesu im Jordan das Epiphanie-Motiv.
Auf der Vorderfläche des giebelbekrönten Aufbaus thront Christus als Weltenrichter, flankiert von zwei Engeln, die jeweils auf das König- und Priestertum Jesu Christi verweisen. Die übrigen Seiten des Schreins zeigen als vergoldete Silbertreibarbeiten mit farbigen Emails unter anderem Könige und Propheten des Alten Testaments, außerdem die Apostel und Szenen aus der Heilsgeschichte. Der Kölner Dreikönigenschrein gilt im Reichtum seiner Gestaltung als „Hauptwerk der europäischen Goldschmiedekunst der Spätromanik“.
Die Heiligen Drei Könige folgten dem Stern von Bethlehem, um das neugeborene Jesuskind sehen und ihm huldigen zu können. So weist auch in Köln schon von Weitem ein großer vollplastischer Stern auf dem Vierungsturm der Kathedrale den Weg zur Gegenwart Jesu Christi, denn genau unter dem sternenbekrönten Dachreiter steht seit 1956 der Vierungsaltar, auf dem der Herr in jeder Feier der Eucharistie gegenwärtig ist.
Die Autorin arbeitet als Kunsthistorikerin im Erzbistum Köln.
Die Zitate stammen aus: Lauer, Rolf: Der Schrein der Heiligen Drei Könige, Köln 2006.
Fotos mit freundlicher Genehmigung:
Köln, Dom, Binnenchor, Dreikönigenschrein, Stirnseite, Gesamtansicht
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
Köln, Dom, Binnenchor, Dreikönigenschrein, Stirnseite, Detail: Anbetung der Heiligen Drei Könige mit Otto IV.
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
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