von Luzia Balk
Bevor der Name „Wiener Library“ zu falschen Schlüssen führt, sei zunächst angemerkt, dass die Bibliothek nicht nach der österreichischen Hauptstadt benannt ist. Die Wiener Holocaust Library am Russell Square in London verdankt ihren Namen vielmehr ihrem Gründer Alfred Wiener (1885 -1964). Die Geschichte der Einrichtung war nicht einfach und steht in engem Zusammenhang mit dem Werdegang des Gründers.
Alfred Wiener war Angestellter im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens in Berlin und beobachtete von Beginn an argwöhnisch die Propaganda und Erfolge der Nazi Partei. 1933 ging er ins Exil nach Amsterdam und gründete dort das »Jewish Central Information Office« (JCIO) eine Dokumentationseinrichtung, in der aus Deutschland bezogene Zeitschriften und Bücher ausgewertet wurden. Er erkannte schon damals, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit objektiv über die Verfolgung der Juden zu informieren und aufzuzeigen, wie sehr sie durch die staatlichen Medien manipuliert wurde. Aber auch von der jüdischen Gemeinde wollte er sich nicht instrumentalisieren lassen.1939 wurden seitens der holländischen Regierung die Publikationen des JCIO limitiert, so dass beschlossen wurde, die Sammlung des Informationszentrums nach London zu verlegen.
In London wurde die Sammlung dem britischen Nachrichtendienst, der BBC sowie anderen alliierten Geheimdiensten und Presseagenturen zugänglich gemacht. Die Sammlung war bald als „Dr. Wieners Bibliothek“ bekannt. Die Informationen bzw. Dokumente der Wiener Library über den Nationalsozialismus und das „Dritte Reich“ wurden später auch zu einer der Grundlagen für die Anklagen bei den Nürnberger Prozessen.
Aber die Arbeit an der Bibliothek ist bis heute relevant. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Sammlung in ein Forschungsinstitut mit öffentlicher Bibliothek umgewandelt. Die Einrichtung sieht ihren Auftrag nicht nur in der wissenschaftlichen Holocaustforschung, sondern auch in der aktiven Aufklärung der heutigen Bevölkerung über die geschichtlichen Umstände und Hintergründe des Holocaust. Dazu steht die Bibliothek im Zentrum Londons als lebendes Denkmal der Öffentlichkeit zur Verfügung. Jeder Interessierte kann sich dort informieren, an Vorträgen teilnehmen oder in den unermesslichen Schatz von Artikeln, Büchern und Zeitschriften vertiefen. Den ökumenisch organisierten Besuch unserer Gemeinde, empfanden jedenfalls alle als lohnend und bereichernd (siehe Bilder).
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