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Der (Glaubens-)Sprung von Ostern

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Liebe Schwestern und Brüder,

wer heute hierhergekommen ist,
der hat einen Sprung gewagt und kann ihn nun feiern;
vielleicht weiß er auch nur um den Sprung, zögert noch,
und möchte sehen, wo er am Ende landet – wenn er springt.

Die Rede ist vom Sprung eines großen Vertrauens,
der Sprung von Karfreitag zum Ostermorgen;
der Sprung über die lange Nacht des Karsamstags,
der einem so tiefen Graben der Leere gleicht,
dass selbst unsere Kirche an ihm verstummt
und um kein passendes Wort, keine Liturgie mehr weiß,
der ihn überbrücken könnte.

Es ist ein Sprung,
der nicht bei Mitleid und Mitmenschlichkeit stehen bleibt,
der nicht fatalistisch in den Abgrund des Todes starrt,
sondern der allen Mut zusammennimmt damit er gelingt,
auch wenn es ein Sprung ins Ungewisse bleiben muss,
wie an anderen wichtigen Kreuzungen unseres Lebens auch.
Manchmal geht es nicht ohne Sprünge, wenn es weitergehen soll.

Aber wie viele Menschen kenne ich,
die den Lebensweg Jesu wohlwollend begleiten,
die seiner Menschlichkeit und seinen Worten viel abgewinnen können,
die auch berührt werden von seiner Bereitschaft zur letzten Konsequenz,
die im Kreuz eine Mahnung für uns alle zu mehr Mitleid und Barmherzigkeit sehen;
die dann aber vor dem letzten und entscheidenden Schritt zurückschrecken.

Karfreitag ja! – Ostern vielleicht, vielleicht aber auch eher nicht.
Das Mitleid mit den Geschundenen, das Gedenken an die Opfer,
die Warnung vor den gewalttätigen Abgründen im Menschen,
der Aufruf zu Friedfertigkeit und generell mehr Menschlichkeit,
alles, wofür der Karfreitag steht, das geht für viele noch irgendwie.
Und ja, das ist nicht wenig, das ist wichtig, ist aber eben auch nicht alles.

Die Evangelien nehmen nicht ohne Grund einen langen Anlauf,
manche von der Kindheitsgeschichte, alle vom ersten Auftreten Jesu:
„Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“
All seine Worte, seine Lehre, seine Handlungen und Wunder,
sie haben fast immer das Ende, Kreuz und Auferstehung, im Blick,
und wollen zum Glaubenssprung ermutigen.

Unsere Liturgie greift noch weiter aus,
erzählt in ihren alttestamentlichen Lesungen
von Schöpfung, Befreiung, prophetischem Neuanfang.
Alles Spuren, Indizien, die in dieselbe Richtung weisen,
gesättigt mit Lebenserfahrung unzähliger Generationen
für den Moment, wo es keine innerweltliche Evidenz mehr gibt.

Ich bin immer wieder überrascht (und dann auch wieder nicht),
mit welcher Zurückhaltung die Evangelien von Ostern erzählen.
Treten an Weihnachten noch Engel und ein himmlisches Heer auf,
belässt es Lukas an Ostern bei „zwei Männern in leuchtenden Gewändern“.
Und während die Hirten Gott rühmten und priesen für das was sie gesehen hatten,
wird das von den Frauen Gesehene und Gehörte einfach als Geschwätz abgetan.
Petrus ist gerade noch „verwundert“ – und „dann ging er nach Hause“.

Sicher hätte man das alles entscheidende Ereignis der christlichen Heilsgeschichte
auch etwas eindrücklicher darstellen und herrlicher ausschmücken können –
an den schriftstellerischen Fähigkeiten kann es jedenfalls nicht gelegen haben,
denn die hat Lukas an vielen anderen Stellen seines Evangeliums bewiesen.

Aber der Verzicht auf jeden Triumphalismus ist nur ehrlich.
So neu und anders ist das gerade Geschehene,
dass es noch nicht mal ein Wort dafür gibt.
Wie sollen die Jünger überzeugend Halleluja singen,
wenn sie noch nicht verstanden und eingeordnet haben,
was sie später „Auferstehung“ nennen.

Doch es täusche sich keiner,
als sie es eingeordnet und verstanden haben,
sind sie nicht mehr zum Schweigen zu bringen.
Keiner von ihnen bleibt da mehr Zuhause,
und sie alle riskieren und opfern ihr Leben dafür.
Man könnte auch sagen: Sie lebten fortan für ein anderes Leben.

Diese Formulierung hat dieser Tage Peter Handke gebraucht,

83-Jahre, Literaturnobelpreisträger, Meister der Worte und der Sprache.
Er sieht die Welt zutiefst verwoben mit einer Traurigkeit.
Keine Depression, keine Krankheit, kein Therapie-bedürftiger Pflegefall,
sondern schlicht eine aufrichtige Traurigkeit, die ganz natürlich ist,
wo in unserem menschlichen Leben Gebrechlichkeit, Verlust und Tod
nicht einfach ignoriert, überspielt oder verdrängt werden.

Die Traurigkeit ist ihm wichtig. Sie interessiert ihn. Er möchte sie nicht missen.
Sie wird bei ihm aber auch von etwas anderem begleitet oder gar getragen.
Sie ist ihm keine Bedrohung, im Gegenteil, sie ist ihm eher fruchtbarer Boden,
denn, so sagt er: „Ich lebe für ein anderes Leben“.

Dieser ebenso schlichte wie tiefsinnige Satz hat für mich zwei Dimensionen,
eine ganz innerweltliche, und eine über diese Welt hinausgreifende.

„Ich lebe für ein anderes Leben“, das kann jeder sagen,
der sich mit den Widrigkeiten dieser Welt nicht zufrieden geben mag,
der nach mehr Gerechtigkeit, mehr Frieden, mehr Heilung strebt,
der sich dafür einsetzt, dass die Dinge hier und jetzt besser werden.
Ich lebe, arbeite, brenne für eine andere Art, wie wir leben.

„Ich lebe für ein anderes Leben“, das kann aber auch der Gläubige sagen,
der angesichts der großen Erlösungsbedürftigkeit der Welt nicht erschrickt,
der angesichts auch seines eigenen ständigen Versagens nicht aufgibt,
der angesichts der Unausweichlichkeit allen Lebens nicht verzweifelt.
Ich lebe nicht nur für ein optimiertes Leben hier und jetzt,
sondern ich lebe für das ganz andere ewige Leben Gottes.

Ich trage die Vergänglichkeit und Unvollkommenheit dieser Welt mit
in dem festen Glauben, dass sie niemals das letzte,
sondern bestenfalls das vorletzte Wort haben.
Das letzte – wie das erste – Wort gehört alleine Gott.

Und wenn es zu einem festen Glauben nicht reicht?
„Herr, ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ (Mk9,24),
so ruft schon im Evangelium der Vater eines fallsüchtigen Jungen.

Oder in unserer Sprache: Faith is not certainty, but commitment!
Glaube ist nicht sichere Erkenntnis, sondern engagierte Selbstverpflichtung.
Sie nimmt Anlauf in dieser Welt, sie sät, sie baut am Reich Gottes;
und am Ende trägt sie mich sogar über den Graben der Ungewissheit,
weil ich Stück für Stück und Schritt für Schritt gelernt habe,
mich Christus und seinem Evangelium anzuvertrauen.
Aber erst im Sprung erfahre ich, wie weit er wirklich trägt.

Niemand von uns kann den Glauben erzwingen.
Aber wir können uns ihm verschreiben.
Und jeden Tag aufs Neue versuchen,
für ein anderes Leben zu leben.

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